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Buchstaben werden lebendig

  TETTNANG (ed) - In der breiten Palette der Ersten Tettnanger Kunstauktion zu Gunsten der Orgel, die am 1. Advent im Gemeindezentrum St.Gallus über die Bühne geht, gibt es auch zwei Bilder, in denen unmittelbare Gegenwart sich mit uralter Tradition aus dem Fernen und dem Nahen Osten verbindet. Es sind kalligraphische Kunstwerke, die Claudia Richter 2006 in ihrem Atelier auf den Tettnanger Höhen geschaffen hat. Mathematik hat sie studiert, aber die Schriftkunst ist ihr Reich. Schon in der Schulzeit hat das "Wesen Buch" sie fasziniert, diese Möglichkeit, eine ganze Welt zwischen zwei Buchdeckeln zu fassen, indem man sie getreulich Zeile für Zeile und Seite für Seite zu Papier bringt. Sie hat die alten Schriften gelernt, "schreibt" buchstäblich Bücher und bindet sie auch selbst. Auflage zehn Stück oder weniger.
Vor ein paar Jahren erst hat sie die feinen Federn zeitweilig weggelegt, um, als Seiteneinsteigerin sozusagen, den Sprung in die Wunderwelt der dekorativen Schriftmalerei zu wagen, wie sie im arabischen und im fernöstlichen Raum seit der Frühzeit zu Hause ist. Mit breitem Pinsel und Aquarellfarben formt und ordnet sie die Buchstaben eines Wortes so, dass die ganze Sinnfülle als Bild auf einen Blick erfassbar wird.
Wenige Tage vor der Auktion springt einem aus Claudia Richters "Jetzt" packender, als eine lange Rede es könnte, der Appell ins Bewusstsein: Es ist Zeit, Du bist gerufen, mach mit, auf Dich kommt es an!
 
  Auf ganz ungewohnte Weise macht Claudia Richter mit sicherem Pinselstrich aus einem kleinen Beiwort einen unüberhörbaren Aufruf: "jetzt!"

Schwäbische Zeitung vom Mittwoch, den 28.11.2006

 

 


    Bericht in Ligatura Zeitschrift der KALLIGRAPHIE AUSTRIA Jahrgang 9 Nummer 2 2002