|
|
Seite
|
Text
|
Autor |
|
|
|
Titel
|
Zeit
|
|
|
|
|
3 |
Dum
loquimur,
fugerit invida aetas:
carpe diem,
quam minimum credula postero.
|
Horatius
|
65
- 8 v.Chr. |
|
|
4 |
Da
wir noch sprechen,
ist schon entflohen die neidische Zeit:
Greife den Tag,
nimmer traue dem nächsten.
|
Horaz |
65
- 8 v.Chr. |
|
|
7 |
Alles
hat seine Zeit
Ein jegliches
hat seine Zeit,
und alles Vorhaben unter dem Himmel hat
seine Stunde:
geboren
werden hat seine Zeit,
sterben hat seine Zeit;
pflanzen hat seine Zeit,
ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
töten
hat seine Zeit.
heilen hat seine Zeit;
abbrechen hat seine Zeit.
bauen hat seine Zeit;
weinen
hat seine Zeit,
lachen hat seine Zeit;
klagen hat seine Zeit,
tanzen hat seine Zeit;
Steine wegwerfen
hat seine Zeit,
Steine sammeln hat seine Zeit;
herzen hat seine Zeit,
aufhören zu herzen hat seine Zeit;
suchen
hat seine Zeit,
verlieren hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit.
wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen
hat seine Zeit,
zunähen hat seine Zeit;
schweigen hat seine Zeit,
reden hat seine Zeit;
lieben
hat seine Zeit.
hassen hat seine Zeit;
Streit hat seine Zeit,
Friede hat seine Zeit.
Man mühe
sich ab, wie man will,
so hat man keinen Gewinn davon.
Ich sah
die Arbeit, die Gott den
Menschen gegeben hat,
daß sie sich damit plagen.
Er hat
alles schön gemacht zu seiner Zeit,
auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt;
nur daß der Mensch nicht ergründen kann
das Werk, das Gott tut,
weder Anfang noch Ende.
Da merkte
ich, daß es nichts Besseres
dabei gibt als fröhlich sein und sich
gütlich tun in seinem Leben.
|
Bibel
Prediger Salomo 3.1-12
|
|
|
|
13 |
Wenn
ich frage bei den Sternen
Nach der Zeit, und wo sie steht,
Seh ich sie, die weitergeht,
Von den Sternen sich entfernen.
|
Luis de
Góngora
y Argote
|
1561
- 1627 |
|
|
17 |
Wenn
ich den Stundenschlag der Uhr vernehme,
und seh den Tag in schwarze Nacht versinken,
wenn ich ein Veilchen am Verwelken sehe,
und silberweiß aus schwarzen Locken blinken,
wenn hohe
Bäume jetzt kein Blatt mehr tragen,
die vor der Hitze noch das Vieh bewahrt,
und Sommers Grün, in Garben weggetragen,
wird nun mit weißen Stoppeln aufgebahrt:
Wo bleibt
dann deine Schönheit, frag ich mich:
Du wirst in der Verschwendung untergehn!
Läßt Süß das Süß, und Schön
das Schön im Stich,
so wird es sterbend andre wachsen sehn.
Was kann
der Sichel Zeit denn widerstehn?
Nur eigen Blut, das bleibt, mußt du schon gehn.
|
William
Shakespeare |
1564
- 1616 |
|
|
21 |
Der
Tag lädt uns ein,
der Ort spornt uns an,
die Zeit drängt uns. |
Franz
von Sales
|
1567
- 1622 |
|
|
25 |
Betrachtung
der Zeit
Mein sind
die Jahre nicht,
die mir die Zeit genommen,
Mein sind die Jahre nicht,
die etwa möchten kommen.
Der Augenblick ist mein,
und nehm' ich den in acht,
So ist der mein,
der Jahr und Ewigkeit gemacht.
|
Andreas
Gryphius |
1567
- 1622 |
|
|
29 |
Wir
eilen mit dem Strom der Zeit
stets näher hin zur Ewigkeit. |
Joachim
Neander |
1650
- 1680 |
|
|
33 |
Die
Zeit ein stetes heute
Was heute
gestern heißt,
das hieß man gestern heute.
Was heute morgen ist,
wird morgen heute seyn.
Und dennoch sorget ihr für morgen,
Blinde Leute!
Weils morgen heut' auch ist,
so sorgt für heut' allein.
|
Nicolaus
Ludwig Esmarch |
1654
- 1719 |
|
|
37 |
An
Leukon
Rosen
pflücke, Rosen blühn,
morgen ist nicht heut!
Keine Stunde laß entfliehn
flüchtig ist die Zeit!
Trink
und küsse! Sieh, es ist
heut Gelegenheit!
Weißt du, wo du morgen bist?
flüchtig ist die Zeit!
Aufschub
einer guten Tat
hat schon oft gereut!
Hurtig leben ist mein Rat
flüchtig ist die Zeit!
|
Johann
Wilhelm Ludwig Gleim |
1719
- 1803
|
|
|
41 |
Der
Mensch lebt und bestehet
nur eine kleine Zeit,
und alle Welt vergehet
mit ihrer Herrlichkeit.
Es ist nur Einer ewig und an allen Enden
und wir in seinen Händen.
|
Matthias
Claudius |
1740
- 1815 |
|
|
45 |
Lied
des Lebens
Flüchtiger
als Wind und Welle
Flieht die Zeit; was hält sie auf?
Sie genießen auf der Stelle,
Sie ergreifen schnell im Lauf;
Das, ihr Brüder, hält ihr Schweben,
Hält die Flucht der Tage ein.
Schneller Gang ist unser Leben,
Laßt uns Rosen auf ihn streun.
Rosen;
denn die Tage sinken
In des Winters Nebelmeer.
Rosen; denn sie blühn und blinken
Links und rechts noch um uns her.
Rosen stehn auf jedem Zweige
Jeder schönen Jugendtat.
Wohl ihm, der bis auf die Neige
Rein gelebt sein Leben hat.
Tage, werdet
uns zum Kranze
Der des Greises Schläf' umzieht
Und um sie in frischem Glanze
Wie ein Traum der Jugend blüht.
Auch die dunkeln Blumen kühlen
Uns mit Ruhe, doppelt-süß
Und die lauen Lüfte spielen
Freundlich uns ins Paradies.
|
Johann
Gottfried von Herder |
1744
- 1803 |
|
|
47 |
Ein
Traum
Ein Traum
ist unser Leben auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wogen
schweben und schwinden wir,
und messen unsre trägen Tritte
nach Raum und Zeit;
und sind (und wissens nicht)
in Mitte der Ewigkeit.
|
Johann
Gottfried von Herder |
1744
- 1803 |
|
|
51 |
In
Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff ich
am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
|
Johann
Wolfgang von Goethe |
1749
- 1832 |
|
|
52 |
Wahrhaftes
Leben
"Wie
man nur so leben mag?
Du machst dir gar keinen guten Tag"!
Ein guter Abend kommt heran,
wenn ich den ganzen Tag getan.
Wenn man
mich da und dorthin zerrt,
und wo ich nichts vermag,
bin ich von mir selbst nur abgesperrt,
da hab' ich keinen Tag.
Tut sich
nun auf, was man bedarf,
und was ich wohl vermag,
da greif ich ein, es geht so scharf,
da hab' ich meinen Tag!
Ich scheine
mir an keinem Ort,
auch Zeit ist keine Zeit,
ein geistreich-aufgeschloss'nes Wort
wirkt auf die Ewigkeit.
|
Johann
Wolfgang von Goethe |
1749
- 1832 |
|
|
55 |
Sprüche
des Konfuzius
Dreifach
ist der Schritt der Zeit:
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
Ewig still steht die Vergangenheit.
Keine
Ungeduld beflügelt
Ihren Schritt, wenn sie verweilt.
Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt
Ihren Lauf, wenn sie enteilt.
Keine Reu, kein Zaubersegen
Kann die stehende bewegen.
Möchtest
du beglückt und weise
Endigen des Lebens Reise,
Nimm die zögernde zum Rat,
Nicht zum Werkzeug deiner Tat.
Wähle nicht die fliehende zum Freund,
Nicht die bleibende zum Feind.
Dreifach
ist des Raumes Maß:
Rastlos fort ohn Unterlaß
Strebt die Länge; fort ins Weite
Endlos gießet sich die Breite;
Grundlos senkt die Tiefe sich.
Dir ein
Bild sind sie gegeben:
Rastlos vorwärts mußt du streben,
Nie ermüdet stillestehn,
Willst du die Vollendung sehn;
Mußt
ins Breite dich entfalten,
Soll sich dir die Welt gestalten;
In die Tiefe mußt du steigen,
Soll sich dir das Wesen zeigen.
Nur Beharrung führt zum Ziel,
Nur die Fülle führt zur Klarheit,
Und im Abgrund wohnt die Wahrheit.
|
Friedrich
von Schiller |
1759
- 1805 |
|
|
57 |
Es
wär' ein eitel und vergeblich Wagen,
Zu fallen ins bewegte Rad der Zeit.
Geflügelt fort entführen es die Stunden,
Das Neue kommt, das Alte ist verschwunden. |
Friedrich
von Schiller |
1759
- 1805 |
|
|
61 |
Die
Zeit
Die Zeit
zerstört und baut Paläste,
Streut bunte Blumen auf die Flur.
Verschlingt des Nachruhms Überreste,
Und läßt dem Enkel keine Spur.
Mit unersättlichem
Behagen
Nagt sie am Denkmal mancher Gruft,
Zwar mildert sie des Unmuths Klagen
Durch sie zerfließt der Gram in Luft.
Oft nährt,
oft löschet sie die Flamme,
Die Leidenschaft am Busen birgt,
Oft untergräbt sie schlau am Damme
Womit Vernunft entgegen wirkt.
Sie kann,
was Menschen selten können,
Sie setzet Schranken jedem Schmerz,
Vereint oft, was die Menschen trennen,
Gießt Balsam in das wunde Herz.
Zwar wieget
sie die stärksten Triebe
In Schlummer ein, nach Sturm und Braus,
Doch die Erinn'rung erster Liebe
Tilgt selbst die Ewigkeit nicht aus! |
Gabriele
von Baumberg |
1768
- 1829 |
|
|
65 |
Alle
Menschen seh ich leben...
Alle Menschen
seh ich leben
Viele leicht vorüberschweben
Wenig mühsam vorwärtsstreben
Doch nur Einem ist's gegeben
Leichtes Streben, schwebend leben.
Wahrlich
der Genuß ziemt Toren
In der Zeit sind sie verloren
Gleichen ganz den Ephemeren
In dem Streit mit Sturm und Wogen
Wird der Weise fortgezogen
Kämpft um niemals aufzuhören
Und so wird die Zeit betrogen
Endlich unters Joch gebogen
Muß des Weisen Macht vermehren.
Ruh' ist
Göttern nur gegeben
Ihnen ziemt der Überfluß
Doch für uns ist Handeln Leben
Macht zu üben nur Genuß.
|
Novalis |
1772
- 1801 |
|
|
69 |
So
wandelt sie, im ewig gleichen Kreise,
Die Zeit nach ihrer alten Weise,
Auf ihrem Wege taub und blind,
Das unbefangne Menschenkind.
Erwartet stets vom nächsten Augenblick
Ein unverhofftes seltsam neues Glück.
Die Sonne geht und kehret wieder,
Kommt Mond und sinkt die Nacht hernieder,
Die Stunden, die Wochen abwärts leiten,
Die Wochen bringen die Jahreszeiten.
Von außen nichts sich je erneut,
In dir trägst du die wechselnde Zeit,
In dir nur Glück und Begebenheit. |
Ludwig
Tieck |
1773
- 1853 |
|
|
73 |
Ach,
wie flüchtig ist die Zeit!
Was wir gestern kaum begonnen,
Heute liegt es schon so weit
Grau und nebelhaft zerronnen
Ach, so flüchtig ist die Zeit.
Ach, wie
flüchtig ist die Zeit!
Doch kein Schritt ging noch verloren,
Denn ein Vater steht bereit,
Wartend vor den ew'gen Toren
Bei ihm endet Flucht und Zeit!
|
Clemens
Brentano |
1778
- 1842 |
|
|
77 |
Die
Zeit geht schnell
Lieb'
Vöglein, vor Blüten
Sieht man dich kaum,
Im dämmernd beglühten
Flüsternden Baum;
Wann in Morgenfunken
Sprüh'n Thäler und Quell,
Singst du feuertrunken
Aber die Zeit geht schnell.
Wie balde
muß lassen
Seine Blätter der Wald,
Die Blumen erblassen,
Die Gegend wird alt,
Erstarrt ist im Eise
Der muntere Quell
Rüst' die Flügel zur Reise;
Denn die Zeit geht schnell.
|
Joseph
von Eichendorff |
1788
- 1857 |
|
|
81 |
Zeit
und Ewigkeit
Du fragst,
was ist die Zeit? Und was die Ewigkeit?
Wo hebt sich Ewiges an und hebet auf die Zeit?
Die Zeit, sobald du sie aufhebst, ist aufgehoben,
wo dich das Ewige zu sich erhebt nach oben.
Die Zeit ist nicht, es ist allein die Ewigkeit,
die Ewigkeit allein ist ewig in der Zeit.
Sie ist das in der Zeit sich stets Gebärende,
als wahre Gegenwart die Zeit Durchwährende.
Wo die Vergangenheit und Zukunft ist geschwunden
in Gegenwart, da hast du Ewigkeit empfunden.
Wo du Vergangenheit und Zukunft hast empfunden
als Gegenwart, da ist die Ewigkeit gefunden.
|
Friedrich
Rückert |
1788
- 1866 |
|
|
82 |
Hier
geb' ich dir, mein Sohn,
Glück möge sie dir schlagen,
Die dein Großvater einst, dein Vater dann getragen,
Die Uhr, nun trag du sie, und möge sie dein eigen
Noch schönre Stunden dir als deinen Vätern zeigen!
Ob ernstbeschäftigte, ob heiter aufgeräumte,
Sie zeige dir nur nie die Stunde, die versäumte!
Denn niemals, ob die Uhr du stellen magst zurück,
Kehrt die versäumte Zeit und ein verträumtes Glück.
Ein Bild des Lebens ists, was dir dein Vater gab:
Das Leben wie die Uhr läuft unaufhaltsam ab.
Die abgelaufne Uhr läßt wieder auf sich ziehn;
Für die des Lebens ist kein Schlüssel uns verliehn.
|
Friedrich
Rückert |
1788
- 1866 |
|
|
85 |
Fortschritt
Die Zeit,
sie eilt so schnell voraus,
Und ich, ich blieb zurück.
Ich schäme mich! Was kommt heraus?
Es bleibt ein Mißgeschick.
Doch stürmt
sie hin unbändig jach,
Kaum reicht so fern mein Blick;
Die Bahngenossen stürmen nach,
Und ich, ich blieb zurück.
Vielleicht
kehrt wieder sie des Wegs;
Laßt sitzen mich am Stein!
Vielleicht hat sie sich müd' gerannt
Hol' ich sie doch noch ein.
Der Gang
der Welt ist nicht so rasch,
Als Torheit meint und spricht;
Man weiß wohl: Flügel hat die Zeit,
Die Zeiten aber nicht.
|
Franz
Grillparzer |
1791
- 1872 |
|
|
89 |
Schmäht
ihr sie, so schmäht ihr euch;
Denn es ist die Zeit dem weißen,
Unbeschriebnen Blatte gleich,
Das Papier ist ohne Makel,
Doch die Schrift darauf gebt ihr!
Ist die Schrift just nicht erbaulich,
Nun, was kann das Blatt dafür?
|
Gotthilf
August von Maltitz |
1794
- 1837 |
|
|
93 |
Die
Zeit ist wie ein Bild von Mosaik,
zu nah beschaut, verwirrt es nur den Blick;
willst du des Ganzen Art und Sinn verstehn,
so mußt du's, Freund, aus rechter Ferne sehn. |
Emanuel
Geibel |
1815
- 1884 |
|
|
97 |
Die
Zeit geht nicht
Die Zeit
geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist die Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.
Ein Etwas,
form- und farbenlos,
Das nur Gestalt gewinnt,
Wo ihr drin auf und nieder taucht,
Bis wieder ihr zerrinnt.
Es blitzt
ein Tropfen Morgentau
Im Strahl des Sonnenlichts;
Ein Tag kann eine Perle sein
Und ein Jahrhundert nichts.
Es ist
ein weißes Pergament
Die Zeit, und jeder schreibt
Mit seinem roten Blut darauf,
Bis ihn der Strom vertreibt.
An dich, du wunderbare Welt,
Du Schönheit ohne End',
Auch ich schreib' meinen Liebesbrief
Auf dieses Pergament.
Froh bin
ich, daß ich aufgeblüht
In deinem runden Kranz;
Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht
Und lobe deinen Glanz.
|
Gottfried
Keller |
1819
- 1890 |
|
|
101 |
Überlaß
es der Zeit
Erscheint
dir etwas unerhört,
Bist du tiefsten Herzens empört,
Bäume nicht auf, versuch's nicht mit Streit,
Berühr es nicht, überlaß es der Zeit.
Am ersten Tag wirst du feige dich schelten,
Am zweiten läßt du dein Schweigen schon gelten,
Am dritten hast du's überwunden,
Alles ist wichtig nur auf Stunden,
Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter,
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.
|
Theodor
Fontane |
1819
- 1898 |
|
|
105 |
Stoßseufzer
Stunden
gehen, immer Stunden,
Wer hat doch die Qual erfunden?
An den Stuhl wie angebunden
Sitzt man, bis der Tag entschwunden.
In den
Stunden, in den Stunden
Wird geplagt man und geschunden,
Und die einzigen, die uns munden,
Sind halt doch die Schäferstunden!
|
Peter
Cornelius |
1824
- 1874 |
|
|
109 |
Summa
summarum
Sag, wie
wär es, alter Schragen,
Wenn du mal die Brille putztest,
Um ein wenig nachzuschlagen,
wie du deine Zeit benutztest.
Oft wohl
hätten dich so gerne
Weiche Arme warm gebettet;
Doch du standest kühl von ferne,
Unbewegt wie angekettet.
Oft wohl
kam's daß du die schöne
Zeit vergrimmtest und vergrolltest,
Nur weil diese oder jene
Nicht gewollt, so wie du wolltest.
Demnach
hast du dich vergebens
Meistenteils herumgetrieben;
Denn die Summe unsres Lebens
Sind die Stunden, wo wir lieben.
|
Wilhelm
Busch |
1832
- 1908 |
|
|
113 |
Die
Götter mag erfreun,
was ohne Zeit besteht;
wir, selber flücht'gen Stoffs,
uns reizt nur, was vergeht. |
Wilhelm
Hertz |
1835
- 1902 |
|
|
117 |
Die
beß're Zeit ist ein Erinnern
Und alles Glück ist Streben nur;
So geh' ich auf des Glückes Spur
Und trag' die beß're Zeit im Innern. |
Karl
Siebel |
1836
- 1868 |
|
|
121 |
Die
Zeit ist zu langsam für die, die warten.
Zu schnell für die, die sich fürchten.
Zu lang für die, die trauern,
zu kurz für die, die frohlocken,
aber für die, die lieben,
bedeutet Zeit Ewigkeit.
Was das Leben auch bringt,
ich werde an deiner Seite sein. |
Henry
van Dyke |
1852
- 1933 |
|
|
125 |
Den
Sonntag stieß der Wochentag
unfreundlich in die Hüfte.
Mein Staub, sprach er, gibt mehr Ertrag
als deine Weihrauchdüfte.
Doch jener sprach, zu was der Streit,
das Recht ist mit uns beiden.
Dich Werkeltag bezahlt die Zeit,
mich lohnen Ewigkeiten. |
Heinrich
Schäff |
1862
- 1937 |
|
|
129 |
Alte
Uhr
Ist eine
alte Uhr in Prag,
Verrostet das Werk und der Stundenschlag,
Verstummt ihre Stimme im Munde;
Zeigt immer die gleiche Stunde.
Doch täglich
einmal, so tot sie sei,
Schleicht zögernd die Zeit an der Uhr vorbei,
Dann zeigt sie die richtige Stunde,
Wie die Uhren all' in der Runde.
Es ist
kein Werk so abgetan,
Kommt doch einmal seine Zeit heran,
Daß es sein Wirken bekunde,
Kommt doch seine richtige Stunde
|
Hugo
Salus |
1866
- 1929 |
|
|
133 |
Die
Korfsche Uhr
Korf erfindet
eine Uhr,
die mit zwei Paar Zeigern kreist
und damit nach vorn nicht nur,
sondern auch nach rückwärts weist.
Zeigt
sie zwei, somit auch zehn;
zeigt sie drei, somit auch neun;
und man braucht nur hinzusehn,
um die Zeit nicht mehr zu scheun.
Denn auf
dieser Uhr von Korfen
mit dem janushaften Lauf
(dazu ward sie so entworfen):
hebt die Zeit sich selber auf.
|
Christian
Morgenstern |
1871
- 1914 |
|
|
134 |
Die
Zeit
Es gibt
ein sehr probates Mittel,
die Zeit zu halten am Schlawittel:
Man nimmt die Taschenuhr zur Hand
und folgt dem Zeiger unverwandt,
Sie geht
so langsam dann, so brav
als wie ein wohlgezogen Schaf,
setzt Fuß vor Fuß so voll Manier
als wie ein Fräulein von Saint-Cyr.
Jedoch
verträumst du dich ein Weilchen,
so rückt das züchtigliche Veilchen
mit Beinen wie der Vogel Strauß
und heimlich wie ein Puma aus.
Und wieder
siehst du auf sie nieder;
ha, Elende! Doch was ist das?
Unschuldig lächelnd macht sie wieder
die zierlichsten Sekunden-Pas.
|
Christian
Morgenstern |
1871
- 1914 |
|
|
137 |
In
meinem wilden Herzen
Wunderliches
Wort: die Zeit vertreiben!
Sie zu halten, wäre das Problem.
Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
wo ein endlich Sein in alledem? -
Sieh,
der Tag verlangsamt sich, entgegen
jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
und das willig Liegende verschwimmt -
Berge
ruhn, von Sternen überprächtigt; -
aber auch in ihnen flimmert Zeit.
Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
obdachlos die Unvergänglichkeit.
|
Rainer
Maria Rilke |
1875
- 1926 |
|
|
138 |
O
Leben Leben, wunderliche Zeit
von Widerspruch zu Widerspruche reichend
im Gange oft so schlecht so schwer so schleichend
und dann auf einmal, mit unsäglich weit
entspannten Flügeln, einem Engel gleichend:
O unerklärlichste, o Lebenszeit.
Von allen
großgewagten Existenzen
kann einer glühender und kühner sein?
Wir stehn und stemmen uns an unsre Grenzen
und reißen ein Unkenntliches herein.
|
Rainer
Maria Rilke |
1875
- 1926 |
|
|
141 |
Und
ein Sternkundiger sagte:
"Meister,
wie verhält es sich mit
der Zeit?"
Und er
antwortete:
"Ihr
möchtet die Zeit messen, die doch
ohne Maß ist und unermeßlich.
Ihr möchtet
euer Handeln und selbst
den Lauf eures Geistes nach Stunden
und Jahreszeiten ordnen.
Aus der
Zeit möchtet ihr einen Fluß
machen, von dessen Ufer aus ihr, in Muße,
dessen Strömen betrachten könnt.
Doch das
Zeitlose in euch ist sich der
Zeitlosigkeit des Lebens bewußt.
Und wer
weiß, dass das Gestern nichts
als die Erinnerung des Heute und das
Morgen das, was das Heute erträumt.
Und was
in euch singt und gewahrt,
wohnt nach wie vor in den Grenzen jenes
ersten Moments, der die Sterne im
Weltraum verstreute.
Wer von
euch spürt etwa nicht, daß
seine Fähigkeit zu lieben unbegrenzt ist?
Und dennoch,
wer empfindet nicht, daß
eben diese Liebe, wenn auch unbegrenzt,
doch restlos im Zentrum seines Wesens
enthalten ist und sich nicht von Liebes-
gedanken zu Liebesgedanken bewegt - noch
von Liebeshandlung zu Liebeshandlung?
Und ist
etwa Zeit nicht ganz so wie die
Liebe - ungeteilt und raumlos?
Aber - wenn ihr schon die Zeit in
Gedanken nach Jahreszeiten bemessen
müßt, dann möge jede einzelne Jahres-
zeit alle übrigen Jahreszeiten umfasssen.
Und -
das Heute umarme das Vergangene
mit Erinnern und das Künftige mit
Sehnsucht!"
|
Khalil
Gibran |
1883
- 1931 |
|
|
144 |
Von
der Zeit
Mein Haus
sagte zu mir:
"Verlaß mich nicht,
denn hier wohnt deine Vergangenheit".
Und die Straße sagte zu mir:
"Komm und folge mir,
denn ich bin deine Zukunft".
Und ich sage zu beiden,
zu meinem Haus und zu der Straße:
"Ich habe weder Vergangenheit,
noch habe ich Zukunft.
Wenn ich hier bleibe,
ist ein Gehen in meinem Verweilen;
und wenn ich gehe,
ist ein Verweilen in meinem Gang.
Nur Liebe und Tod ändern die Dinge."
|
Khalil
Gibran |
1883
- 1931 |
|
|
|
|
|
|
|
|
147 |
Bilderverzeichnis |
5 |
astronomische
Sonnenuhr |
Landesausstellung
Zwiesel |
11 |
Mohnblüten |
Lindau |
15 |
Pflasterstern |
Prag |
19 |
astronomische
Uhr |
Prager
Rathaus |
23 |
Wanduhr |
Inzigkofen |
27 |
Kreuzgang |
Fontfroide |
31 |
Windrose |
Seemannsfriedhof
bei Gruissan |
35 |
Geld |
|
39 |
Rose |
Frankfurt |
43 |
Kreuzgang |
Primo
Chiostro Florenz |
49 |
Schnee |
Isny
Neutrauchburg |
53 |
Portalschloss |
Pfarrkirche
Weildorf |
59 |
Mühlrad |
Geismühle,
Krefeld |
63 |
Baum |
Murnau |
67 |
Distelsamen |
|
71 |
Fußboden |
Universitätsbibliothek,
Pristina |
75 |
Grabsteine |
Jüdischer
Friedhof, Prag |
79 |
Blätter |
Isny
Neutrauchburg |
83 |
Taschenuhr |
|
87 |
Steinbank |
Fontfroide |
91 |
Papierstern |
|
95 |
Dach |
Isny |
99 |
Staffelsee |
Uffing |
103 |
Brunnen |
Kremsmünster |
107 |
Schaf |
Braunschweig |
111 |
Schmetterling |
Mainau |
115 |
Raureif |
Isny
Neutrauchburg |
119 |
Lichter
"Kleeblatt" |
Frankfurt |
123 |
Uhr |
Kathedrale
Santa Maria del Fiore in Florenz |
127 |
Uhrenturm |
Burghausen |
131 |
Uhr |
Stift
Rein |
135 |
Taschenuhr |
|
139 |
Innenhof |
Schloss
Baldern |
145 |
Donautal |
bei Inzigkofen |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
151 |
Impressum |
Schrift |
angelehnt
an
Karolingische Minuskel,
Unziale und Antiqua
mit Bandzugfeder und Tinte
Verkleinerung der Texte
auf 55 % |
Auflage |
7
nummerierte Exemplare
auf Ingres-Bütten |
alle
Arbeiten |
Claudia
Richter, Tettnang 2014 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|