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1
Die Bedeutung des Schönen
in der exakten Naturwissenschaft

Werner Heisenberg
Seite
Text
 
  2 Wenn ein Vertreter der Naturwissenschaft bei einer Veranstaltung der Akademie der Schönen Künste das Wort nehmen soll, so kann er es kaum wagen, zum Thema Kunst Meinungen zu äußern; denn die Künste liegen ja seinem eigenen Arbeitsgebiet fern. Aber vielleicht darf er das Problem des Schönen aufgreifen. Denn das Epitheton >schön< wird hier zwar zur Charakterisierung der Künste verwendet, aber der Bereich des Schönen reicht ja über ihr Wirkungsfeld weit hinaus. Er umfaßt sicher auch andere Gebiete des geistigen Lebens; und die Schönheit der Natur spiegelt sich auch in der Schönheit der Naturwissenschaft.
Vielleicht ist es gut, wenn wir zunächst ohne jeden Versuch einer philosophischen Analyse des Begriffs >schön< einfach fragen, wo im Umkreis der exakten Wissenschaften uns das Schöne begegnen kann. ---
 
  5 Nur der Eindruck von etwas sehr Schönem war ganz direkt, er bedurfte keiner Begründung oder Erklärung.
Aber was war hier schön? Schon in der Antike gab es zwei Definitionen der Schönheit, die in einem gewissen Gegensatz zueinander standen. ...
 
13 Damit wird auch ein enger Zusammenhang zwischen dem Verständlichen und dem Schönen hergestellt. Denn wenn das Schöne als Übereinstimmung der Teile untereinander und mit dem Ganzen erkannt wird, und wenn andererseits alles Verständnis erst durch diesen formalen Zusammenhang Zustandekommen kann, so wird das Erlebnis des Schönen fast identisch mit dem Erlebnis des verstandenen oder wenigstens geahnten Zusammenhangs.
...
 
34 ... alle reinen Ideen oder Urformbeziehungen des Harmonischen, wie die bisher besprochenen, wohnen denen inne, die zu ihrer Erfassung fähig sind. Aber sie werden nicht erst durch ein begriffliches Verfahren ins Innere aufgenommen, vielmehr entstammen sie einer gleichsam triebhaften reinen Größenanschauung und sind diesen Individuen eingeboren, wie dem Formprinzip der Pflanzen etwa die Zahl ihrer Blütenblätter oder die Zahl der Fruchtkammern dem Apfel eingeboren ist.« Soweit Kepler. ...  
45 Vielleicht darf ich ganz am Schluß noch einmal an die zweite Definition des Begriffs >Schönheit< erinnern, die von Plotin stammt, und in der von den Teilen und vom Ganzen nicht mehr die Rede ist: »Die Schönheit ist das Durchleuchten des ewigen Glanzes des >Einen< durch die materielle Erscheinung«. Es gibt wichtige Epochen der Kunst, zu denen diese Definition besser paßt als die erstgenannte, und oft sehnen wir uns nach solchen Epochen zurück. Aber in unserer Zeit ist es schwer von dieser Seite der Schönheit zu sprechen, und vielleicht ist es eine gute Regel, sich an die Sitten der Zeit zu halten, in der man zu leben hat, und über das schwer Sagbare zu schweigen. Eigentlich sind die beiden Definitionen ja auch nicht allzu weit voneinander entfernt. Lassen wir es also bei der ersten mehr nüchternen Definition der Schönheit bewenden, die sicher auch in der Naturwissenschaft verwirklicht wird, und stellen wir fest, daß sie in der exakten Naturwissenschaft ebenso wie in den Künsten die wichtigste Quelle des Leuchtens und der Klarheit ist.  
46 Werner Karl Heisenberg (* 5. Dezember 1901 in Würzburg; † 1. Februar 1976 in München) war einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts und Nobelpreisträger. Er formulierte 1927 die nach ihm benannte Heisenbergsche Unschärferelation, welche eine der fundamentalen Aussagen der Quantenmechanik trifft – nämlich, dass bestimmte Messgrößen eines Teilchens (etwa sein Ort und Impuls) nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmt werden können.  
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Schrift angelehnt an karolingische Minuskel und Unziale
Tinte mit Bandzugfeder
Verkleinerung der Texte auf 50%
Bilder
 4 Bücher im Hofkammer-Archiv Wien
 8 Eiszapfen in Frauenau
12 Orgel in der Stadtkirche Balingen
16 Farn auf der Mainau
20 gesplittertes Glas in Ravensburg
24 Feld bei Frankfurt
28 Säule in der Wallfahrtskirche Maria Pöllauberg
32 Hortensie auf der Mainau
36 weiße Baumnymphe im Schmetterlingshaus der Mainau
40 Weg im Bethmannpark Frankfurt
44 Gläserne Arche im Bayer. Wald
Einband Marmorpapier
Auflage 11 numerierte Exemplare auf Strohseide
alle Arbeiten Claudia Richter, Tettnang 2010